Homeoffice Tipps
Vorteile - für Auftragnehmer und Auftraggeber
- Bessere Ausstattung: Vor Ort in der Firma hat der Auftraggeber meist wenig Einfluss auf seine eigene Ausstattung, insbesondere Hardware. Je nach Gegebenheiten wird das von einer völlig anderen Stelle entschieden, die gut dasteht, wenn sie Kosten spart. Wenn ich den Arbeitsplatzrechner des Kunden benutzen musste, hatte ich in den letzten 10 Jahren immer einen, der nicht einen Tagessatz wert war. Wenn Build & Test 45 Minuten statt 20 Minuten dauern, kommt bei 1 - 2 Euro Kosten pro Minute im Lauf der Jahre einiges zusammen. Wenn der Entwickler dagegen eigene Hardware benutzen darf, ist die sofort einsatzbereit, und jeder selbständige Entwickler, den ich kenne, hat für die Arbeit die ideale Ausstattung. Auch die oft lange Wartezeit, bis der Rechner da ist, entfällt. Weniger als 3 Tage habe ich bisher fast nie auf meinen Rechner beim Kunden vor Ort gewartet. Das ist übrigens mein wichtigster Tipp für Auftraggeber beim Einsatz vor Ort: Sicherstellen, dass alles bereitsteht! Oft wird der weniger geeignete Kandidat gewählt, weil es "sofort" losgehen muss und nicht 3 Wochen gewartet werden kann. Dann wird ein weiterer Kompromiss gemacht, weil der Ersatzkandidat 95 Euro will und man nur 93 Euro im Budget hat, also wird für die 2 Euro der Kandidat 3. Wahl genommen. Der wartet dann 3 Wochen auf seinen Rechner bei voller Bezahlung. Bis dahin wäre auch der erste Wunschkandidat verfügbar gewesen, und man zahlt durch die bezahlte Wartezeit mehr, als der teuerste Kandidat gekostet hätte (z. B. 1000 Stunden Projektlaufzeit und 50 Stunden Wartezeit 5 %).
- Keine regionale Beschränkung: Wird ein Projekt bzw. Auftragnehmer vor Ort gesucht, ist die Auswahl, je nach Mobilität, stark eingegrenzt. Ggf. muss dann ein Kompromiss gemacht und ein weniger passender Kandidat mit höherem Stundensatz und schlechteren Referenzen in ein neues Thema - technisch oder fachlich - eingearbeitet werden. Man sagt, dass sich die Produktivität, qualitativ und quantitativ, zwischen einem guten und einem gerade noch passablen Entwickler um den Faktor 10 unterscheidet. Ich habe die Originalstudien nicht selber gelesen, aber in dieser Diskussion sind Referenzen genannt, die jeder selbst prüfen kann.
- Kostenersparnis Stundensatz: In der Regel entstehen bei einem Einsatz vor Ort 5 - 28 Euro pro Stunde zusätzlich an Kosten. Das hängt stark davon ab, ob das Projekt so weit weg ist, dass eine Projektwohnung benötigt wird, und ob man "unbezahlte Arbeit" wie z. B. die Suche nach einer Projektwohnung mitzählt. Diese eingesparten Kosten können sich bei der Arbeit im Homeoffice Auftragnehmer und Auftraggeber teilen - je nachdem, wer besser verhandelt.
- Kostenersparnis Arbeitsräume und Ausstattung: Selbsterklärend. Einer meiner Kunden hatte sogar nur für Inhaber und Sekretariat Räumlichkeiten, sowie einen großen Konferenzraum für die gelegentlichen Treffen vor Ort. Immer wieder hat er durch diese schlanke Arbeitsweise profitable Aufträge an Land ziehen können.
- Bessere Arbeitsleistungen durch ungestörte Konzentration: Unterbrechungen und Störungen, wie sie gerade in einem Großraumbüro allgegenwärtig sind, verrigern die Qualität der Arbeit ganz erheblich. Dieses Comic ist keine Übertreibung.
- Produktive Ruhezeiten: Es kann mal vorkommen, dass man nur 2 - 5 Stunden schlafen konnte (Baby, Lärm von außen, Jetlag usw.). Im Homeoffice lässt sich das leicht geradebiegen, indem man einen kurzen Mittagsschlaf macht. Wenn ich dagegen stark übermüdet arbeiten muss, verrigert sich meine Leistung schon rein quantitativ leicht mal um 40 % - 80 %. Auch wenn das nicht oft vorkommt: Schon ein verlorener Nachmittag ist teuer. Daher ist es nicht verwunderlich, dass gerade in Japan, wo Fleiß zählt und der Leistungsdruck hoch ist, "Powernapping" bei der Arbeit gesellschaftlich akzeptiert ist und sogar Schlafplätze für Angestellte zur Verfügung stehen. (Natürlich ist ein "Powernap" keine abrechenbare Arbeitszeit, sondern Pause.)
Tipps für Auftragnehmer
- Genaue, korrekte Abrechnung: Eine der größten Sorgen für Auftraggeber bei Arbeit im Homeoffice ist, dass der Auftragnehmer nicht korrekt abrechnet. Das liegt daran, dass man vor Ort im Büro nicht viel mit der "erschwindelten" Zeit anfangen könnte; im Homeoffice dagegen ist nicht einmal direkt ersichtlich, ob der Auftragnehmer tatsächlich gerade arbeitet und wie lange er im Homeoffice war. Daher kannst du damit rechnen, dass der Auftraggeber sich Gedanken macht, ob die abgerechnete Zeit plausibel ist. Entweder fragt er genau nach, was wie lange gedauert hat und warum. Oder er prüft "im Stillen" z. B. das Verhältnis von story points zu abgerechneter Zeit, vergleicht mit anderen Entwicklern usw. Unabhängig davon sollte man allein aus Respekt vor der eigenen Arbeit bei der Abrechnung ganz genau sein. Ich empfehle eine minutengenaue (0,01 Industriestunde) Zeiterfassung. Dafür kann z. B. eine Software wie ManicTime benutzt werden, wenn die abrechenbare Zeit genau der Zeit an einem bestimmten Rechner für genau den Kunden entspricht, oder eine Stoppuhr. Die Stoppuhr kann z. B. hochzählen, oder man kann einen Countdown machen und nach genau 8 Stunden aufhören. Ich denke, es macht sich sehr gut, wenn im Stundenzettel für jeden Tag ein "krummer" Betrag wie z. B. 7,45 Industriestunden steht. Sollte es zu zusätzlicher Arbeit außerhalb der Erfassung kommen, z. B. ein erhaltener Anruf außerhalb des Homeoffice, berechne dafür keine "geschätzte" Zeit extra. Entweder rechne es gar nicht ab, oder nimm die genauen Minuten aus der Anrufhistorie des Telefons.
- Klar kommunizieren, was benötigt wird: Z. B. muss bei Projektstart bereits eine Kollaborationssoftware vorhanden sein, die mindestens unkomplizierte Audiokonferenzen mit Screensharing ermöglicht. Erstmal anzufangen und im Lauf der Zeit anzuschaffen funktioniert nicht! Auch fehlende oder mangelhafte Ausstattung, z. B. unzureichende Hardware (s. o.) muss klar und deutlich an den richtigen Ansprechpartner kommuniziert werden. Er sieht es ja nicht, wenn du z. B. 30 Minuten in der Firmenküche auf einen Build wartest.
- Überstunden ankündigen: Auch wenn durch den Kundenauftrag aufgrund einer besonderen Lage Überstunden entstehen: Teile dem Auftraggeber mit, dass Überstunden anfallen werden, warum das so ist und wie viele. Frage, ob so weitergemacht werden soll, oder ob z. B. bei 220 im Monat Schluss sein soll. Es kann sonst gut sein, dass dieser Umstand übersehen wurde, oder dass z. B. der Projektleiter sich dessen bewusst ist, aber nicht das Controlling oder andere relevante Stellen.
- Blockaden deutlich melden: Ist immer eine gute Idee. Gerade bei der Arbeit aus dem Homeoffice wird aber leicht überhört, wenn man kurz im daily standup gemurmelt hat, dass man auf X wartet. Wende dich deshalb an die Projektleitung und mache deutlich, dass die Arbeit (vollständig bzw. an einer Prioritätsaufgabe) ruht.
- Bei unklaren Aufgaben oder Prioritäten sofort nachfragen: Selbsterklärend. In Kombination mit dem vorherigen Punkt z. B.: "Im Ticket X, durch das es nächste Woche zu einem Produtionsstopp kommen könnte, habe ich den Datenbankauszug angefordert. Erst damit kann ich daran weiterarbeiten. Was hat bis dahin Priorität?"
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